PMD Lexikon Artikel als PDF
Das Lymphödem

Das Lymphödem ist eine Anlage, die bei PMD-Betroffenen gehäuft vorkommt. Dabei handelt es sich um ein primäres, also angeborenes, Lymphödem. Ursache ist ein meist von Geburt an nicht gut entwickeltes Lymphgefäßsystem, also z.B. zu enge oder zu wenige Lymphbahnen oder auch zu weite Lymphgefäße mit schlecht funktionierenden Lymphklappen. Diese Abflussstörung der Lymphe1  mit daraus resultierender Ödembildung (Schwellung des Gewebes durch Flüssigkeits-ansammlung) entwickelt sich allerdings meist erst im Lauf des Lebens, z.B. während eines Wachstumsschubes oder in der Pubertät.

1 Dabei erfüllt das Lymphsystem drei wichtige Aufgaben: Die Immunabwehr durch Abtransport und Entsorgung von Erregern und Fremdstoffen; Regulation des Wasserhaushalts im Gewebe; Transport von Nahrungsfetten vom Darm zu den Körperzellen.
(Quelle: https://selpers.com/lektion/cll-verstehen-das-lymphatische-system/)

Falls Lymphödeme auftreten, sollte man unbedingt einen lymphologisch ausgebildeten Facharzt aufsuchen, der viel Erfahrung hat, euch eine gute Diagnose stellen kann und dem Patienten Lymphdrainage und Kompressionsstrümpfe verordnen kann. Inzwischen gibt es Angiologen (Experten für Gefäßerkrankungen) und Phlebologen (Experten für Venenerkrankungen), die auch speziell Ärzte für Lymphologie sind. Und es gibt auch lymphologische Fachkliniken (siehe unten bei den Links).

Behandlung:

Bei Lymphödemen kommt die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) zum Einsatz. Diese behandelt die Symptome, heilt aber nicht das Ödem! Die KPE erfolgt in zwei Phasen: Erst wird das Gewebe entstaut, also die überschüssige Flüssigkeit abtransportiert und somit die Schwellung des Gewebes reduziert. In der zweiten Phase gilt es, das Ergebnis der Entstauung zu erhalten und zu verbessern.

(Quelle: https://www.ofaaustria.at/de-at/therapie/entstauungstherapie/)

 

1. Manuelle Lymphdrainage (MLD)

Bei einem stark ausgeprägten Ödem sollte der Patient zu Beginn 3-5x wöchentlich zu einem Lymphtherapeuten zur Lymphdrainage gehen. Meistens sind das Physiotherapeuten. Bei leichtgradigen Schwellungen muss nicht so oft behandelt werden.

Hier erfolgt die Entstauungsphase, in der man den Umfang der Extremität verringern will. Das wird je nach Ausprägung des Ödems vom Arzt auf einem Rezept verordnet, z.B. 3-5x die Woche MLD 30, 45 oder 60 Minuten. In den Kliniken wird oft sogar 2x täglich gelympht. Direkt nach der MLD muss unbedingt optimal gewickelt werden, um das erreichte Ergebnis zu erhalten.

Das ist zwar eine sehr unbequeme Lösung – besonders für unsere Kids – aber gerade bei schwergradigen Ödemen für die Entstauungsphase sehr wichtig und unumgänglich.

In der darauffolgenden Erhaltungsphase gehen die Patienten meist 1-2x in der Woche zur MLD und werden mit einem gut ausgemessenen Kompressionsstrumpf versorgt.

 

2. Kompressionstherapie

Den Kompressionsstrumpf muss man unbedingt von einem darin gut ausgebildeten Sanitätshaus ausmessen lassen (am besten beim Sanitätshaus, mit dem der Facharzt eng zusammenarbeitet). Oft sitzen diese Strümpfe nämlich nicht optimal. Es gibt 4 Druckklassen von Kompressionsstrümpfen. Der Facharzt weiß am besten, welche Kompressionsklasse gerade nötig ist.

Zur Ödembehandlung sollten ausschließlich flachgestrickte Kompressionsstrümpfe getragen werden, alles andere ist ein No-Go!!2  Die benötigten flachgestrickten Kompressionsstrümpfe werden immer einzeln maßangefertigt und müssen auf der Verordnung benannt sein.

2 „Während rundgestrickte Strümpfe nahtlos und spiralförmig produziert werden, weisen flachgestrickte Kompressionsstrümpfe eine Naht auf und können so anhand von robusten Materialien einen hohen, flächigen Druck auf das Bein ausüben. Im Gegensatz zu rundgestrickten sind flachgestrickte Strümpfe für die Behandlung größerer Umfänge und schwieriger anatomischer Verhältnisse geeignet, da sie eine geringere Elastizität aufweisen und das Ödem wie eine Wand zusammenhalten.“
(Quelle: https://www.ofaaustria.at/de-at/rundgestrickte-oder-flachgestrickte-kompressionsstruempfe/
)

Es gibt Kniestrümpfe, Strümpfe bis zur Leiste und Strumpfhosen. Der Facharzt wird den für eure Kinder richtigen Strumpf verschreiben. Sobald Unterschenkel und Oberschenkel auch vom Ödem betroffen sind, muss das ganze Bein versorgt sein. Solange nur der Vorfuß und/oder das Sprunggelenk leichtgradig betroffen sind, kann der Patient auch mit einem Kniestrumpf versorgt werden.

Nach unserer Erfahrung in Deutschland bekommen unsere Kids in der Regel 1-2x jährlich je 2 Paar Kompressionsstrümpfe von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Private Krankenkassen zahlen nach unserem Wissen mindestens 1x jährlich 2 Paar.

Zusätzlich gibt es bei starken Lymphödemen apparative Kompressionsgeräte, die die Patienten mehrmals wöchentlich daheim benützen. Allerdings ist fraglich, ob unsere Kinder das tolerieren würden. Diese schmerzen nicht, aber man muss eine Zeitlang mit dieser „Hosenmanschette“ ruhig liegen bleiben.

 

3. Hautpflege

Achtet auch auf eine richtig gute Hautpflege. Die Haut sollte niemals trocken und schuppig unter den Strümpfen sein. Das ist wirklich ganz wichtig!!! Passt auf, dass keine Verletzungen an der ödematösen Extremität auftreten. Kontrolliert täglich die Zehenzwischenräume. Pilze und kleine Verletzungen können immer ein schweres Erysipel3  im Ödem auslösen, das sofort mit Antibiotika behandelt werden muss. Auch leichte Hautschuppen zwischen den Zehen können auf einen Pilz hinweisen und sollten behandelt werden! Wichtig: Sehr gründliches Trocknen der Zehenzwischen-räume nach dem Duschen!

3 Das Erysipel ist eine bakterielle Infektion und Entzündung der oberen Hautschichten und Lymphwege und zeigt sich als scharf begrenzte flächenhafte starke Rötung. Das Erysipel geht von kleinen Hautverletzungen aus und tritt meist im Gesicht, an Armen oder Beinen und seltener am Nabel auf. Andere Bezeichnungen für das Erysipel sind Wundrose, Rose und Rotlauf
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Erysipel)

 

4. Bewegung

Viel Bewegung ist wichtig und toll! Nachdem unsere Kinder eher so ihren eigenen Kopf haben, was sie machen wollen oder nicht, ist hier die Phantasie der Eltern nötig, um ihre Kinder in ihrem „Lieblingssport“ zu fördern. Viele unserer Kinder lieben z.B. Bewegung im Wasser, Ball spielen, Trampolin hüpfen, Tandem/Kettcar/Rad fahren, Spazieren gehen…

 

5. Was ist sonst noch wichtig:

Wunden vermeiden:
Vorsicht vor Verletzungen! Nicht barfuß laufen lassen!!
Vorsicht bei der Nagelpflege!
Vorsicht vor Mückenstichen, Zecken….

Lasst niemals zu, dass am Ödem Infusionen gelegt werden oder Blut an einer ödematösen Extremität abgenommen wird.

Achtet darauf, dass die Windeln in der Leiste nicht zu eng sitzen und dadurch der Rücktransport der Lymphe zusätzlich gestaut wird und dass auch sonst nichts abschnürt an Füßen und Beinen. Also keine engen Hosen! Keine engen Gürtel! Und stellt nachts das untere Bettende etwas höher (ca.10 cm), indem ihr unter die Matratze am Bettende Decken oder irgendetwas legt, damit die Beine ein bisschen höher liegen als der Rumpf.

Kein stundenlanges Sitzen und Stehen.
Bei langen Autofahrten häufige Pausen einlegen und Beine etwas erhöhen!
Beine nicht überschlagen!
Beim Fernsehen Beine hochlegen!

Hitze und Wärme ist schlecht, direkte Sonne am besten komplett vermeiden.
Urlaub in warmen Ländern vermeiden!
Keine langen Warmwasserbäder!
Fußbodenheizung geht gar nicht.

Und eine gesunde Ernährung! Übergewicht vermeiden!

 

Links:

Fachkliniken in Deutschland und Österreich:

https://www.lymphnetzwerk.de/lymphoedem/fachkliniken.html

https://www.gfmlv.at/kliniken

Fachkliniken in der Schweiz:

https://www.lv-schweiz.ch/?adressenaerzte

http://www.lymphverein.de/konservative_therapie.html

https://www.dglymph.de/aktuelles/

 

Autor: © Phelan-McDermid-Gesellschaft e.V., 2020