PMD Gesellschaft e.V. und Interdisziplinäre Spezialsprechstunde Phelan-McDermid-Syndrom zu COVID-19

Uns erreichten in letzter Zeit vermehrt Anfragen, wie wir das Risiko bewerten für Menschen mit PMD-Syndrom, einen schweren Verlauf der COVID-19-Krankheit zu erleiden.

Das kann derzeit nicht für alle Betroffenen in gleicher Weise beantwortet werden. Wenn Ihr Kind an einer Immunschwäche, Herz-, Lungen- und Nierenkrankheit leidet, könnte ein größeres Risiko für einen schweren Verlauf bestehen. Es ist auch davon auszugehen, dass Betroffene des PMD sich weniger aufmerksam machen können, wenn Sie Symptome von COVID-19 entwickeln. Auch ist nicht klar, ob die Betroffenen das gleiche Symptomprofil wie gesunde Menschen zeigen.

Bei allgemeinen Fragen zum Thema COVID-19, wenden Sie sich bitte an Herrn Dr. Michael Schön (michael.schoen@uni-ulm.de). Bitte bedenken Sie, dass es unseres Wissens nach weltweit keine öffentlich bekannten Erfahrungen mit COVID-19 bei PMD-Betroffenen gibt.

Impfung: Menschen mit geistiger Behinderung haben eine hohe Priorisierung für die Impfung. Die Impfung ist derzeit nicht für Kinder zugelassen. Beide zugelassenen Impfstoffe (Biontech/Pfizer, Moderna) sind ab 12 Jahren zugelassen. Betreuende Personen von Kindern oder Erwachsenen, die pflegebedürftig aufgrund Ihrer Behinderung sind, haben ebenfalls eine hohe Priorisierung und schützen Ihre betreuten Angehörigen durch eine Impfung.

Dr. Michael Schön fragte am 02.12.2021 Prof. Dr. Mertens, den Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission (STIKO), ob es zu einer Empfehlung der Impfung der 5 – bis 11-jährigen Kinder mit einem genetischen Syndrom wie dem Phelan-McDermid-Syndrom kommen wird. Er meinte, es wird eine Impfempfehlung in diese Richtung von der STIKO in den kommenden Wochen geben. Allerdings muss der Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer dann auch in entsprechender Dosierung (ein Drittel der Erwachsenendosis) verfügbar sein. Laut seiner Aussage liefern die Unternehmen diese Dosierung in den nächsten Wochen. Daher würde ich empfehlen, bereits frühzeitig Kontakt mit Ihrem Kinderarzt/ärztin aufzunehmen.

Was ist das PMD-Syndrom?

Das Phelan-McDermid-Syndrom ist ein seltener genetischer Defekt.

Das PMD-Syndrom wird auch Deletion 22q13 genannt (Verlust eines Teils des langen Armes des Chromosoms 22)

Auffällig dabei sind:
Verzögerte psychomotorische Entwicklung, gestörte Sprachentwicklung und einige körperliche Merkmale. Bis heute wurde diese Diagnose weltweit ca. 3.000 x gestellt.

Erkennungsmerkmale und Symptome
Betroffene weisen meist einige der folgenden Merkmale auf:

  Muskelschwäche (Hypotonie) als Kleinkind
  verzögerte motorische Entwicklung (z.B. verspätetes Drehen, Aufsetzen, Krabbeln und Gehen)
  verzögerte oder ausbleibende Sprachentwicklung mentale Entwicklungsstörung in unterschiedlicher Ausprägung
  im Kleinkindalter oft übermäßiges Wachstum
  Gesichts-/Kopfauffälligkeiten: längliche Kopfform (Dolichozephalie), lange Wimpern,
     geschwollene Augenlider, volle Wangen, große Ohren
  große, weiche Hände; zu kleine, dünne und aufgebogene Zehennägel, die leicht brechen
  vermindertes Schwitzen, das gelegentlich zur Temperaturerhöhung bzw. Überhitzung führt
  hohe Schmerztoleranz
  autistische Verhaltensweisen
  Anfallsleiden
  selbststimulierendes Verhalten
  Wedeln mit den Armen/Händen
  gestörtes Schlafverhalten

Ursachen
Den Betroffenen fehlt ein Segment am Ende des langen Armes des Chromosom 22. Für diese genetische Störung werden drei Ursachen genannt:

  Einfache Deletion (Stück des Chromosoms 22 bei der Bildung von Eizelle oder Spermazelle abgebrochen)
  Ringchromosombildung (beide Enden des Chromosoms 22 brechen ab und die offenen Enden verbinden sich zu einem ringförmigen Chromosom)
  Unbalancierte Translokationen (durch einen Stückaustausch zwischen zwei Chromosomen geht ein Teil eines Chromosoms 22 verloren und wird durch ein Segment eines anderen Chromosoms ersetzt)

Das Segment, welches bei Menschen mit dem Syndrom fehlt, enthält das Gen PROSAP2/SHANK3. Der Verlust dieses Gens dürfte teilweise die neurologischen Erscheinungen des Syndroms erklären.

Diagnose
Genetiker identifizieren dieses Syndrom durch die Untersuchung einer Blutprobe, wobei ein spezieller Test – die sogenannte CGH Array (Array-based Comparative Genomic Hybridization) – Anwendung findet. Mittels CGH Array lassen sich Chromosomenveränderungen nachweisen, die so klein sind, dass sie in der konventionellen Chromosomenanalyse nicht mehr erkannt werden können.

Die Deletion kann auch in Hautzellen entdeckt werden, sowie in Zellen aus der Chorionzottenbiopsie bzw. Fruchtwasserpunktion, die für Schwangerschaftstests verwendet werden.

Vererbbarkeit
Einfache Deletionen und Ringchromosomen treten typischerweise nur einmal in einer Familie auf. Dagegen können unbalancierte Translokationen durch eine balancierte Translokation bei einem Elternteil (bei diesem in der Regel ohne Symptome) verursacht sein. Eltern von betroffenen Kindern, die diese Translokation aufweisen, sollten sich genetisch beraten lassen.

Mutmach-Film!

Unser Mutmach-Film. Ein Film für uns alle und vor allem für alle neuen Familien.
Willkommen bei 22q13.info. Vielen Dank an Oliver und Susanne.

Medizinischer Ratgeber für Eltern und Ärzte

Dieses Blatt enthält eine stichpunktartige und nach Organsystemen geordnete Auflistung von Symptomen, die beim Phelan-McDermid-Syndrom auftreten können (nicht müssen!).

Dabei werden entsprechende diagnostische und auch therapeutische Mittel empfohlen.

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Genetik Ratgeber

Was  sollte man wissen über die Deletion?
Wie kann man das rausfinden?
Warum ist das wichtig?

Alle Informationen finden Sie in unseren Genetik Postern.
Infos zu 22q13 Deletionen und zur SHANK3 Variante im

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