PMD Lexikon Artikel als PDF
Unterstützte Kommunikation

Eines der häufigsten Symptome des Phelan-McDermid-Syndroms ist die verzögerte oder ausbleibende Sprachentwicklung. Die meisten unserer Kinder können sich nicht mit Lautsprache ausdrücken oder nur mit wenigen Worten. Ohne alternative Hilfsmittel ist es für Menschen ohne Lautsprache kaum möglich, an der Gesellschaft teilzuhaben und ihre Bedürfnisse zu äußern.

Durch den Einsatz Unterstützter Kommunikation können PMD-Betroffene lernen, sich besser zu verständigen, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren und ihren Alltag mitzubestimmen und zu gestalten. Mittlerweile ist Kommunikation als menschliches Grundrecht anerkannt. Ein sehr schönes Poster (und noch viel mehr) dazu zum Herunterladen findet ihr auf der Homepage von METACOM:

http://www.metacom-symbole.de/downloads/ewExternalFiles/GrundrechtKommunikation.pdf

Wie können wir nun unseren Kindern die Möglichkeit bieten, sich zu verständigen, Aufmerksamkeit zu fordern, etwas zu erzählen, zu kommentieren, verstanden zu werden und selbst Bedürfnisse zu äußern?

Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Gebärden und Gesten
Grafische Symbole/Bilder
Technische Kommunikationshilfen, auch mit künstlicher Sprachausgabe

 

Gebärden
Jedes Land hat eine eigene Gebärdensprache in der/den jeweiligen Landessprache(n). Auch regional gibt es dann noch Unterschiede, vergleichbar mit Dialekten der Lautsprache. Gebärdensprache setzt sich zusammen aus Handzeichen, Mimik und Körperhaltung. Wie mit der Lautsprache kann mit dem Erlernen von Gebärden schon im Kleinkindalter begonnen werden. Gebärdensprache kann die Lautsprache ersetzen, aber auch eine hilfreiche Ergänzung zur verzögert oder nur eingeschränkt erworbenen Lautsprache sein. Vorteil der Gebärdensprache ist es, dass sie ohne technische Hilfsmittel auskommt, aber leider nach wie vor nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung beherrscht wird. Gesetzlich ist sie in unter anderem in Deutschland, Österreich und dem Schweizer Kanton Zürich als vollwertige Sprache anerkannt.

Es sind verschiedene Gebärdensammlungen verbreitet:

Beispiele für Deutschland:

Deutsche Gebärdensprache (DGS) nach Kestner (Wörterbuch der DGS), https://web.kestner.de/
Schau doch meine Hände an (http://www.schau-doch-meine-haende-an.de/index.html)

Weitere Beispiele auch für Österreich und die Schweiz findet ihr am Ende des Kapitels in der Link-Sammlung.

Wichtig: Wenn ihr mit Gebärdensprache bei euren Kindern startet, wäre es sinnvoll zu schauen, welche Gebärdensprache die zukünftige Kita, Kindergarten oder Schule nutzt. Dann könnt ihr mit der Einrichtung gemeinsam daran arbeiten.

Für den Einstieg könnt ihr mit euren Kleinen auch mit Gebärden-unterstützter Kommunikation (GUK) arbeiten. Das ist eine vereinfachte, teilweise leicht abgewandelte Form von Gebärdensprache, die mehr auf die motorisch und kognitiv noch nicht so weit entwickelten Fähigkeiten von Menschen eingeht.

Arbeitsmaterial findet ihr z.B. hier: https://www.ds-infocenter.de/html/guk.html

 

Grafische Symbole und Bilder
Es gibt für die UK verschiedene fertige Symbolsammlungen. Auch da ist es sinnvoll, sich nach der Symbolsammlung zu erkundigen, die evtl. bereits schon in den Kitas, Kindergärten oder Schulen genutzt wird.

Sehr umfangreich im Wortschatz und sowohl in Papierform als auch als Computer-App erhältlich sind die METACOM-Symbole der Grafikerin Annette Kitzinger. Weit verbreitet sind auch die Picture Communication Symbols (PCS), die wie METACOM ausgedruckt oder als App verwendet werden können.

Diese grafischen Symbole können überall im Alltag platziert und eingesetzt werden und ermöglichen Kommunikation, indem man darauf zeigt. Unten findet ihr viele kreative Beispiele, wie man mit diesen Bildkarten arbeiten kann. Der Vorteil zu selbst kreierten Symbolen ist es, dass die METACOM oder PCS-Symbole im Bereich der UK weit verbreitet sind und ihre Bedeutung damit klar und eindeutig ist.

Eng verbunden mit diesen analogen Hilfsmitteln sind technische Hilfsmittel wie Sprachausgabegeräte.

Wichtig: Für alle diese Werkzeuge lohnt es sich, sich von Experten beraten und einschulen zu lassen. Anfangs ist man vielleicht von der Fülle an Möglichkeiten überwältigt und auch die Bedienung ist nicht ganz leicht. Außerdem kann die Anschaffung kostenintensiv sein. Vorab also gut abklären, was für die Bedürfnisse des Betroffenen passt. Manche Hilfsmittel kann man auch kostenlos testen. Ist die Entscheidung für eine Kommunikationshilfe gefallen, kann auch eine (teilweise) Kostenübernahme beantragt werden.

 

Technische Kommunikationshilfen
Einfache Taster:
In die technischen Kommunikationshilfen kann man mit einfachen Tastern starten. So erlernt man das Prinzip von Ursache und Wirkung. Das wäre z.B. ein Taster, mit dem eure Kinder etwas zu trinken anfordern können (Ich möchte trinken) oder Musik hören (ich möchte Musik hören). Oder die Möglichkeit sich nach einer Aktion mitzuteilen und dann zu rufen: „Ich bin fertig“.

Kommunikationshilfe:
Viele unserer Kinder nutzen einen Sprachcomputer, z.B. ein Tablett mit der App MetaTalkDE. Diese App kann an den Sprachschatz, die Interessen und die Fähigkeiten des Betroffenen angepasst werden und durch eigene Ausdrücke und Darstellungen erweitert werden.
Auch gibt es wie erwähnt die Möglichkeit, diesen sogenannten Talker als Hilfsmittel über z.B. die deutsche Krankenkasse zu beantragen.

 

Beratung
Wichtig ist im ersten Schritt, dass man sich an eine Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation wendet. Eine Adressenliste mit Beratungsangeboten z.B. in Deutschland, Österreich und der Schweiz findet man auf der Internetseite der Gesellschaft für UK: https://www.gesellschaft-uk.org/umkreissuche-beratungsangebote.html

In Österreich bietet der Verein Lifetool an mehreren Standorten Beratung und Vertrieb von Hilfsmitteln für UK an. Der Verein Kinderhände in Wien bietet Gebärdenkurse vom Kleinkind bis zum Schulkind an und dazugehörige Spiel- und Lernmaterialien.

Buchempfehlungen
Um euch in das Thema einzulesen und manche Dinge besser zu verstehen, möchten wir euch folgende Bücher empfehlen:

Unterstützte Kommunikation, Eine Einführung für Eltern, pädagogische Fachkräfte, Therapeuten und Interessierte, Claudio Castaneda, Nina Fröhlich, Monika Waigand,
ISBN: 978-3-947464-03-6 (Im deutschsprachigen Raum ist dies das aktuellste, was im Moment zum Thema UK als Einführung erschienen ist. (Stand 2020)

Jetzt sag ich’s dir auf meine Weise – Erste Schritte in UK, Annette Kitzinger,
von Loeper Literaturverlag, ISBN: 978-3-86059-137-6

Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem I Pad, Angela Hallbauer, Annette Kitzinger,
von Loeper Literaturverlag, ISBN 978-3-86059-243-4

Modelling in der Unterstützten Kommunikation, Claudio Castaneda, Nina Fröhlich, Monika Weigang,
ISBN 978-3-947464-00-5

Einander verstehen lernen, Angela Hallbauer, Claudio Castaneda, Holtenauer Verlag,
ISBN-13: 978-3981088519

Online-Empfehlungen
https://die-uk-kiste.jimdo.com/
Umfassende Infos zu iPad und UK, Handbücher…

https://www.metacom-symbole.de/
Metacom ist eine Symbolsammlung von Annette Kitzinger, die selbst ein Kind mit Behinderung hat. Auf dieser Seite gibt es viele Materialien zum Download.

http://uk-app-blog.blogspot.de/
Infoseite zum Thema iPad und UK, Lesen, Schreiben, Eingabehilfen, App-Liste…

http://www.lifetool.at
Firma, die u.a. selbst Apps herstellt und Tipps anbietet.

https://www.rehavista.de
https://www.rehavista.de/?at=Materialien
Auf der Materialseite finden sich Infos auch zu angepassten iPads und Apps, neben anderen Informationen.

http://www.gesellschaft-uk.de/
Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation.

https://www.cluks-forum-bw.de/
Computergestütztes Lernen und Unterstützte Kommunikation für Schülerinnen und Schüler mit einer körperlichen/geistlichen Beeinträchtigung.

https://www.bild-boxen.de/
Viele UK Ideen und Materialien zum Bestellen. Kommunikationsbuch, Aufgabenmappen, Tagesplan…

https://eu.autismusverlag.ch/
Verschiedene Bücher mit Symboltexten, Spiele, didaktisches Material.

https://www.ukcouch.com/
Verschiedene Erzählbücher und Materialien.

http://www.kinderhaende.at/
Gebärdenkurse und Spiel- und Lernmaterialien vom Kleinkind bis zum Jugendlichen in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS).

http://www.shopshakehands.com/
Lernmaterialien in ÖGS.

https://www.spreadthesign.com/de.at/search/
Handy-App und Online-Lexikon für unterwegs in DGS, ÖGS, usw.

https://www.equalizent.com/produkte/oegs-lexikon
Online-Lexikon in ÖGS.

https://signdict.org/
Offenes Wörterbuch in DGS.

Filme zum Thema UK kann man auch im Mitgliederbereich auf https://www.22q13.info/filme/ finden:
Kommunikation von Menschen bei ASS (Familientreffen 2019)
Tipps und Austausch für erfahrene iPad Nutzer (Familientreffen 2017)
UK für alle und gemeinsam (Frau Birngruber) Grundlagen und Ideen aus der Praxis
    (Familientreffen 2015)

Sonstige Quellen: Gesellschaft für UK: https://www.gesellschaft-uk.org/

 

Erfahrungsberichte

Entwicklung Gebärden

Mit 2,5 Jahren haben wir mit den GUK Gebärden angefangen. Die erste Gebärde war „nochmal“. Die haben wir vor allem beim Spielen und beim Essen benutzt.
Wir haben einen Gebärdenkurs in der Kinderklinik im SPZ mit der ganzen Familie gemacht. Alle sollten ein Vorbild sein und die Gebärden nutzen. Unser Kind hat sehr schnell einfache Gebärden, wie essen, trinken, nochmal, Puppe usw. gelernt. Es konnte die Gebärden nicht alle motorisch einwandfrei nachahmen, aber man konnte es trotzdem verstehen.
Insgesamt hat unser Kind in 4 Jahren ca. 40-50 Gebärden gelernt.
Mittlerweile lernen wir die Gebärden der Deutschen Gebärdensprache. Dazu haben wir eine App auf dem iPad (Gebärdensprache Wörterbuch-DGS Gebärden). Wenn wir ein Wort suchen, können wir dort nachschauen und bekommen die Gebärden per Video gezeigt.
Einige Gebärden hat unser Kind durch Lautsprache ausgetauscht (Mama und Opa). Andere Gebärden hat es durch die MetaTalk App am iPad ersetzt. Manche Gebärden hat es vergessen, wenn wir sie lange nicht genutzt haben.

UK mit Symbolen

Wir haben mit unserem Kind im Alter von 3 Jahren zunächst mit Fotos von bekannten Gegenständen und Personen gestartet. Das Interesse war da noch nicht sehr groß. Erst als wir die Fotos und dann auch Symbole mit sprechenden Tastern benutzt haben, wurde sein Interesse geweckt. Die Taster (sog. Big Points) und dann den Tagesplan (zuerst nur 1 Tag – später dann ein Wochenplan) haben wir bereits im Kindergartenalter genutzt.
Im Alter von 5 Jahren bekam unser Kind dann ein iPad mit der App GTN (Go Talk Now) und MetaTalkDE. Mit Gebärden hat es sich sehr schwergetan. Erst im Grundschulalter beherrschte es einfache Gebärden (ich, fertig, essen, warten, schwimmen) nach GuK (App auf dem iPad: Gebärdensammlung GuK).
Mittlerweile kann man beobachten, wie es unserem Kind sehr viel Spaß macht, wenn es mittels iPad, Tastern, Bildsymbolen oder Gebärden sein Umfeld „steuern“ kann. Es fordert Essen und Trinken ein. Sagt, was es machen möchte (spazieren gehen, einkaufen, schwimmen, Musik hören).

Ideen, die man zu Hause und im Alltag umsetzen kann:

Wand mit Wochenplan, Bildsymbolen, Fotos, Kalender und sprechender Leiste.

Taster in der Küche (ich möchte trinken), Taster beim CD-Player (ich möchte Musik hören), Taster auf der Toilette (ich bin fertig).

Schwimmbrett zur Kommunikation im Wasser.

Ablaufplan zum Hände waschen.

Brettspiele, die wir mit Hilfe der App GTN sprachlich begleiten können.

Kommunikationstafeln auf Schneidebrettern in der Küche.

Kommunikationsbuch beim Reiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Autor: © Phelan-McDermid-Gesellschaft e.V., 2020